Die eigene Mitte stärken

Was ist für Dich die “eigene Mitte”? Und wie kannst Du diese stärken?
In der Körperpädagogik der Eutonie gehen wir vom konkret Erlebbaren aus. So wie das auch Kinder tun würden. Fragt man sie nach der Mitte, zeigen sie spontan auf den Bauchnabel.

Das Becken bildet die Mitte zwischen Rückgrat und Beinen

Unser körperlicher Mittelpunkt ist im Becken angesiedelt. Das Becken und mit ihm das muskuläre Netzwerk des Beckenbodens bildet  eine wichtige Stütze für den Körper. Es bildet den Übergang zwischen dem Rückgrat und dem Bewegungsapparat der Beine.

Das Becken besteht aus mehreren fest zusammengefügten Knochen, die eine Schale bilden. Wenn wir sitzen, sind deutlich die Äste der Sitzbeine zu spüren. Auch der linke und rechte Beckenflügel ist gut ertastbar. Das Kreuzbein bildet das Verbindungsglied zwischen Wirbelsäule und Beckenflügel. Die  Knochen, die sich im vorderen Bereich zusammenfügen, heißen Schambeine. Rechts und links davon liegen tief in der Leiste verborgen die Hüftgelenk.  Hier verbindet sich das Becken mit den Oberschenkelknochen.

In der Eutonie erforschen wir das Becken in all seinen Dimensionen. Wir machen uns seine Räumlichkeit bewusst. Spürend entdecken wir die Zusammenhänge und Wechselwirkungen von Becken, Beckenboden und dem Rücken und anderen Körperbereichen. Machen uns mit der tief liegenden Beckenbodenmuskulatur vertraut. Lernen sie bewusst spüren. Lösen Verspannungen und aktivieren Muskulatur dort, wo zu wenig Spannung ist. Damit geben wir dem Beckenboden eine gute Spannung und stärken so unsere Mitte.

Die Mittelachse

Manche empfinden die Mittelachse ihres Körpers  (anatomisch gesehen die Wirbelsäule)  als ihre Mitte. In der Eutonie schwingen wir  im Sitzen oder Stehen um diese Achse.  Der Körperschwerpunkt verlagert sich im rhythmischen Spiel um die Senkrechte – immer wieder neu die Mitte suchend, im labilen Gleichgewicht.

Schwingen wirkt stark auf das vegetative Nervensystem und kann zu Schwindel führen.  Aus diesem Grund ist es wichtig, sich immer gut mit den Füßen oder den Sitzbeinknochen zu “erden”. Wenn das Schwingen seine positive Wirkung entfaltend, wirkt es sammelnd und zentrierend. Der Tonus reguliert sich und die Aufrichtung geschieht quasi von selbst.

Hara, Sakral-Chakra und “os sacrum” – die Mitte als heiliger Ort

Östliche und westliche Meditationsformen siedeln die Mitte etwa zwei Finger breit tiefer als den Bauchnabel an. Dort liegt der Schwerpunkt des Körpers. Dieser Ort wird in der Zen-Meditation Hara genannt, im Yoga Sakral-Chakra (Svadhisthana).

Betrachten wir das Skelett, so ist das in etwa der Ort, wo vom Kreuzbein aus die Wirbelsäule aufsteigt. Diese Stelle wird Promotorium genannt. Das Promotorium befindet sich ziemlich genau in der Mitte zwischen Rücken und Bauchwand.

Die lateinische Bedeutung für das Kreuzbein: os sacrum = heiliges Bein, weist darauf hin, dass die Menschen schon früh diesen Ort in ihrem Körper als besonderen, ja heiligen Ort erfuhren. Im Yoga steht dieser Bereich für die ursprüngliche Lebenslust und die göttliche Schaffenskraft. Eng verbunden mit der Schaffenskraft ist der Fortpflanzungstrieb, der ja auch mit dem Schaffen von etwas Neuem verbunden ist. Das Sakral-Chakra ist Sitz der Kreativität und ungefilterter ursprünglicher Emotionen.

Alfons Rosenberg (Schriftsteller und Symbolforscher) bezeichnet das “untere Kreuz” auch als die Erdwurzel des Menschen. Diese Wurzel hat existentielle Bedeutung für den Menschen, da sie Gegenwart und Zukunft ermöglicht (Darmfunktion = Ernährung/Ausscheidung und Geschlechtsfunktion = Zeugung/Schwangerschaft).

Kreuzschmerzen – Verlust von Mitte und Verbindung

In der Gestaltsymbolik nach A. Rosenberg steht das untere Kreuz für die Herkunft des Menschen, für seine Verbindung mit der Familie und sozialer Gemeinschaft. “Kreuzschmerzen” können seiner Meinung nach auf ein Missverhältnis zur Gemeinschaft deuten. Menschen überfordern sich selbst, wenn sie meinen, völlig auf sich gestellt leben zu können.

Manchmal liegt der Grund dafür auch in der mangelnden Unterstützung, die jemand schon in Kindertagen erlebt hat. Das Gefühl allein gelassen worden zu sein, das Gefühl von Ungeborgenheit und Schutzlosigkeit können ein ganzes Leben prägen.

Auch eine zu starke Außenorientierung kann Ursache für Kreuzschmerzen sein. Wenn die eigene Mitte nicht mehr gespürt wird. Wenn ich mir der eigenen Wurzeln nicht mehr bewusst bin.

Sitz der Gefühle

Das Bewusst-werden des Kreuzbeines und des Beckens kann von verschiedenen Gefühlen wie Trauer, Angst und  Wut  oder auch Geborgenheit, Ruhe, Sicherheit begleitet werden.

Für die meisten ist es wohltuend, zum Beispiel in der Rückenlage durch das Heranziehen der Füße (Fußstütze), den Kreuzbein-Lendenbereich am Boden zu spüren.Wenn das Kreuzbein eine Stütze findet, kann auch der Rücken ruhen. Viele erfahre dieses Ruhen als “endlich ausruhen dürfen”, bei sich ankommen, neue Kraft schöpfen.

Auch eine Hand am Kreuzbein in der Partnerarbeit oder Eutonie-Behandlung kann Stütze anbieten und dadurch Sicherheit und Geborgenheit vermitteln – aber gelegentlich auch heftige emotionale Reaktionen hervorrufen. Es können Tränen fließen, wenn mit der Bewusstwerdung des Kreuzbeins und Beckens tiefsitzende Bedürfnisse wach werden: Zum Beispiel danach, gehalten und getragen, und angenommen zu werden. Sehnsüchte unsere „inneren Kindes“, die vielleicht zu wenig gestillt worden sind.

Besonders in den Einzelstunden können diese Erfahrungen durch einfühlsame Berührung und Gespräch geklärt und bearbeitet werden. In Einzelfällen kann auch eine psychotherapeutische Begleitung angeraten sein.

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Siehe auch “Eutonie – eine Meditation des ganzen Menschen

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