Moin und Hallo.
Lange hast du nichts mehr von mir gehört - wenn du nicht zu denen gehörst, die an Eutonie per Zoom teilnehmen - jetzt ist es aber mal wieder Zeit für ein Lebenszeichen an alle... Es gibt momentan keine neuen Termine, aber ich hoffe, dass die geplanten Seminare ab Mitte September wieder losgehen können - wenn auch mit reduzierter Teilnehmerzahl. Die Eutoniestunden per Zoom finden weiterhin statt, jeweils dienstags um 19:00 Uhr und es gibt eine neue Stunde als Audio - diesmal über YouTube zu hören.
Soweit die aktuelle Entwicklung in Kürze - wenn du mehr lesen möchtest, folgen hier noch ein paar ausführlichere Gedanken zu meinem Erleben der letzten Monate und wie uns die Eutonie in dieser Zeit unterstützen kann...
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Was für eine Zeit...
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Geht es dir auch so? Ich erlebe diese Zeit als eine Zeit, in der vieles deutlicher wird: die z.B. gesellschaftlichen Missstände aufdeckt, aber auch die eigenen Ängste und Stärken sichtbar macht... Jede*r von uns kann wohl ihre und seine "Corona-Geschichte" erzählen. Und wie jede*r diese Zeit erlebt, hängt wohl auch entscheidend von den jeweiligen Lebensumständen zusammen.
Für mich war es ein herber Schlag, von einem Tag auf den anderen arbeitslos zu werden, da sämtliche Veranstaltungen abgesagt wurden. Aber - Glück im Unglück - im Gegensatz zu vielen anderen Solo-Selbstständigen habe ich eine Arbeitslosenversicherung abgeschlossen, die jetzt greift. So bin ich finanziell einigermaßen abgesichert durch diese Krise gekommen. Aber ich vermisse die Begegnungen und miteinander Lernen in den Kursen, wäre sehr gerne zu den Seminaren nach Cuxhaven oder Sylt ans Meer gefahren...
Auch wenn ich zurzeit arbeitslos bin, so bin ich doch nicht beschäftigungslos. Es gab viel zu regeln und zu organisieren, sowohl im privaten, als auch im beruflichen Bereich. Und ich habe mich auf Neues eingelassen, mich in neue Technik eingearbeitet, Eutonie-Einheiten aufgenommen, per Zoom Stunden gegeben... Ich bin wirklich überrascht, wie Eutonie auch über die räumliche Distanz über die Stimme vermittelt werden kann und wirkt. Und, dass auch virtuell so etwas wie ein Gruppengefühl entstehen kann. Es ist für mich auch nach dieser Corona-Zeit als Ergänzung zu den Präsenzseminaren denkbar, weiterhin Kurse über Zoom zu geben - für die, die keine Eutonie-Pädagog*innen oder Kurse in ihrer Nähe haben.
Trotzdem ist das kein wirklicher Ersatz und ich freue ich mich darauf, endlich wieder meinen Kursteilnehmer*innen ohne Medienvermittlung begegnen zu können. Es gibt eben noch viel mehr, als durch das bloße Sehen und Hören sinnlich erfahrbar ist. Den Tonus, die "Ausstrahlung", die Bewegung eines dreidimensionalen menschlichen Körpers wahrzunehmen ist etwas anderes, als ein zweidimensionales Bild und viele "Bildkacheln" auf Zoom zu sehen. Und natürlich sehne ich mich auch danach, dass körperliche Berührung, wie das Handgeben oder eine Umarmung zur Begrüßung und zum Abschied wieder möglich ist - aber darauf werden wir leider wohl noch eine ganze Weile verzichten müssen.
Genossen habe ich in dieser Zeit den Frühling. Ich glaube, ich habe noch nie so intensiv das Aufblühen und Ergrünen der einzelnen Pflanzen erlebt. Während der Zeit des Lockdowns habe ich besonders die Ruhe genossen - das Grundrauschen des Autoverkehrs war nahezu versiegt. Glücklicherweise wohnen wir so, dass wir in unserer nächsten Umgebung viel Grün und Wasser haben und so haben wir oft auf dem Rad gesessen oder sind spazieren gegangen. Das war / ist wirklich ein Geschenk. Und unser Balkon ist auch noch nie so grün und bunt gewesen, wie in diesem Jahr und wurde zum zweiten Wohnzimmer.
Und so gab und gibt es gerade in Verbindung mit dem Naturerleben viel Glück und Dankbarkeit. Aber es gab auch bei mir Phasen, die sich eher bleiernd anfühlten. Das Zeitempfinden änderte sich, ich "schaffte" viel weniger von dem, wovon ich dachte, dass ich es mal angehe: "wenn ich mal Zeit habe". Manchmal fehlte der Elan, etwas anzufangen, was ja auch morgen noch erledigt werden kann. Es wird deutlich, wie hilfreich Strukturen sind, Ziele, Zeitvorgaben und auch die Neugier, Neues zu lernen, zu entdecken - einerseits. Und anderseits: es wird auch deutlich, wie schwierig es sein kann, mal alles zu lassen, nichts zu müssen, es mit sich selbst auszuhalten. Ein weites Lernfeld...
Und dann kam und kommt zu alldem die Unsicherheit: Was lässt sich den überhaupt noch planen - wann ist was wieder möglich? Die meisten Termine / Seminare plane ich mindestens ein Jahr im Voraus. So "weiß" ich normalerweise schon, was ich z.B. im Mai des nächsten Jahres mache. Solche "Gewissheiten" sind erst einmal passé. Trotzdem ist die Planung wichtig, damit es weitergeht und auch: trotz allem die Zuversicht nicht zu verlieren. Ich habe dazu letztlich einen Podcast gehört - vielleicht ist er ja auch für dich interessant: Podcast auf WDR 5: Zuversicht: Kraftquelle in harten Zeiten
Wie hast du diese Zeit erlebt? Was war herausfordernd? Was hast du neu entdeckt? Was hat dich gestärkt? Wenn du magst, schreibe mir gerne etwas dazu.
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Die Realität des Augenblicks - ein eutonisches Übungsfeld
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Achtsame Wahrnehmung dessen, was ist
Die Krisenzeit kann auch eine Chance sein, unser Leben, unsere Gewohnheiten, das, was wir für "selbstverständlich" halten, neu zu sehen und vielleicht auch das ein oder andere anders zu bewerten und zu verändern.
Die neuen Gegebenheiten und Abläufe laden ein zur aufmerksamen, wachen und geduldigen Begegnung mit der Wirklichkeit, wie sie jetzt nun einmal ist. Etwas, was wir ja auch mit und in der Eutonie immer wieder üben...
So kann diese Zeit auch ein eutonisches Übungsfeld werden, eine Zeit der Aufmerksamkeit, um - zu merken, was ich eigentlich tue oder vielleicht gerade nicht tun kann und wie es mir damit geht... - den je notwendigen Raum für mich und für andere bewusst wahrzunehmen, zu respektieren und zu schützen... - zu entdecken, was wirklich nötig ist, was ich tatsächlich brauche und was ich vielleicht auch lassen kann oder sollte...
Berührung erfahren
Etwas von den essenziellen Dingen, die wir als Menschen unbedingt brauchen, ist die Berührung. Sie schafft Verbindung, Zugehörigkeit, ist eine wichtige Weise zu kommunizieren und reguliert den Stresspegel. Das ist vielleicht auch das, was wir - vor allem die, die alleine leben - momentan am meisten vermissen. Für die mitmenschliche Berührung gibt es nicht wirklich Ersatz. Aber ich glaube, dass es gerade in dieser Zeit hilfreich ist, sich selbst viele Berührungserfahrungen zu schenken und die Umgebung stärker über den Berührungssinn zu erfahren:
Aufmerken: - Wie fühlt sich die Kleidung an? - Wie empfinde ich den Wind oder das Wasser auf meiner Haut? - Wie berühre ich gerade die Sitzfläche, mit meinen Füßen den Boden, mit meinen Ellbogen / Händen den Tisch etc.
Ich kann mich auch, so wie wir es in der Eutonie oft üben, selbst mit den Händen oder verschiedenen Materialien berühren, abstreichen, klopfen - mich in meiner Form wahrnehmen. Oder anderen lebendigen Wesen (Tiere, Pflanzen, Bäume) über die Berührung begegnen.
Kontakt erleben
Und ich kann mich auf dem Boden legen und über die Berührung und den Kontakt mit dem Boden nicht nur mich selbst wahrnehmen und "erden", sondern mich darüber hinaus auch mit allem, was auf dieser Welt lebt, verbinden. Manchmal bekommen wir über diesen Kontakt ein Empfinden geschenkt, das die räumliche Distanz überwindet und in der wir spüren können, dass wir mit allem verbunden sind...
Und dann gibt es natürlich auch die alltäglichen Kontaktmöglichkeiten über die Augen, ein Lächeln, ein gemeinsames Erleben, über Bewegung, Musik, Sprache, über Telefon, neue Medien oder einen handgeschriebenen Brief, eine Zeichnung... Es ist doch erstaunlich viel möglich, miteinander in Kontakt zu kommen - auch wenn der räumliche Abstand gewahrt werden muss. Unsere Kreativität und Offenheit in der Begegnung mit anderen sind herausgefordert, um die für uns so lebenswichtigen Kontakte zu anderen Menschen zu pflegen.
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Es freut mich, wenn du diese lange Mail bis hier unten gelesen hast - danke für deine Zeit. Ich hoffe, du konntest vielleicht die ein oder andere Anregung für dich darin finden.
Ich wünsche dir einen schönen Sommer, dass du gesund bleibst und diese Zeit für dich so gestalten kannst, dass sie dir guttut.
Bleiben wir zuversichtlich... liebe Grüße, Martina
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